Von den 16.000 Freisenbruchern wohnen fast 5.000 Menschen im Bergmannsfeld. 2018 wird es schon 50 Jahre alt. Die Namensherkunft soll sogar bis ins Jahr 1420 zurückgehen. Doch warum ist der Name auch immer wieder mit Problemen und Vorurteilen belastet?
Am Anfang verursachte der stetig steigende Bedarf nach neuem Wohnraum im Essener Stadtgebiet die Schaffung von neuen Flächen. In den 60er Jahren entwickelte sich die Bevölkerungszahl in der Stadt mit großem Wachstum. Um die Anbindung an die öffentliche Infrastruktur gewährleisten zu können, mußte daher mehr in die Höhe als die Fläche gebaut werden. So begann man unter dem Titel “Bauvorhaben Oststadt” im Jahr 1966 mit dem Bau des Bergmannsfeld im Stadtteil Freisenbruch.
Die Idee für das Bergmannsfeld
Das neu zu schaffende Wohngebiet sollte modern und lebenswert gestaltet sein. Neben ansprechenden und großen Wohnungen, sollten die Bewohner auch direkt das Grün vor der Tür sehen und nutzen können. In der Oststadt sollte Platz für Familien mit Kindern, Senioren und Menschen die aus dem hektischen Zentren der Stadt weg wollten, entstehen. Um dieses Unterfangen aus einem Guß erledigen zu können, beschloß der Rat der Stadt Essen dafür nur einen Bauherren zu haben. Das gewerksschaftseigene Wohnungsbauunternehmen “Neue Heimat” bekam dafür 1966 den Zuschlag. Direkt in der Nähe des Bergmannsbusch begann man zügig mit den Arbeiten. Im Waldgebiet existierte vorher auch der Schacht Heintzmann der Zee Eintracht Tiefbau, der bereits 1925 geschlossen wurde.
Im Nu entstanden langgestreckte vier- bis achtgeschossige Mehrfamilienhochhäuser. Mehrere elfgeschossige Punkthochhäuser ergänzten den neuen Wohnraum. Es schien als hätte man das Bergsmannsfeld für eine Art neue Mustersiedlung ausgewählt. Bereits 1961 hatte die Stadt Essen das Gebiet von dem dort ansässigen Bauernhof Bergmann aufgekauft. Die Existenz des Namens “Bergmann” geht an diesem Ort sogar bis in das Jahr 1420 zurück.
In atemberaubenden Tempo wurde die erste Musterwohnung des Bergmannfelds bereits 1966 fertiggestellt. Schließlich wollte man sie auf der DEUBAU (der wichtigsten Baufachmesse in Westdeutschland) noch im gleichen Jahr vorstellen. Der Plan trug Früchte: Das Baukonzept wurde mit dem begehrten DEUBAU-Preis ausgezeichnet. Am 16. Oktober 1967 wurde dann im Bergmannsfeld das erste Richtfest gefeiert.
Wohnen im Bergmannsfeld
Obwohl die Ästhetik der Gebäude stets bei Planung und Errichtung weit im Hintergrund standen, erfreuten sich die neuen Wohnungen von Beginn an großer Beliebtheit. Auch die Presse war von dem Bauvorhaben und der gelugenen Umsetzung begeistert:
“Hier entsteht ein neues Zukunftsland, das mit bisherigen Maßstäben nicht gemessen werden kann. Hier wird Wirklichkeit, was in einem Jahrhundert versäumt worden ist.” (WAZ v. 14.06.1969).
Fragt man heute jemanden, der das erste Mal ins Bergmannsfeld kommt, würde er wohl eher von Tristesse sprechen. Wenige haben heute noch großes Interesse in grauen Betonbauten zu wohnen, wie man sie auch heute noch mehrfach dort und in anderen Teilen Essens vorfindet.
Was nach wie vor aber geblieben ist, ist das Grün im Bergmannsfeld-Bild geblieben. Mehr als 50% der Fläche sind bewachsen, nicht zuletzt durch ein den Bezirk umgebenes Waldstück – dem Bergmannsbusch. Daher ist das Bergmannsfeld heute ein Bezirk mit einem überdurchschnittlichen Naturanteil in der Stadt Essen.
Insolvenz des Wohneigentümers
Die Jahre gingen vorrüber und nach der spektakulären Pleite des Wohnungseigentümers “Neue Heimat” (1986), übernahmen drei neue Wohnungsgesellschaften (LEG, GAGFAH und die Bochumer Firma Häusser Bau) die 1.840 Wohnungen und das Zepter im Bergmannsfeld.
Bereits Anfang der 1980er Jahre starteten erstmals Intiativen unter dem Slogan “Das Bergmannsfeld soll schöner werden” mit aktiver Bürgerbeteiligung. Der damalige Baustil und das direkte Lebensumfeld war einfach nicht mehr zeitgemäß und mußte auf den aktuellen Stand gebracht werden.. Viel geschah daraufhin leider auch durch die neuen Eigentümer nicht. Auch eine ähnliche Aktion im Jahr 1994 blieb ergebnislos. Lediglich kam dabei eine Studie zu dem Ergebnis, dass Senioren gerne im Bergmannsfeld wohnen.
In diesen Jahren veränderte sich durch den fehlenden Fortschritt leider auch das Leben im Bergmannsfeld. Wurde in den Anfangszeiten der Siedlung, wenn man sich bei den Bewohnern erkundigte, noch die gute Nachbarschaft und das freundschaftliche Miteinander betont, wich dies immer häufiger den Hinweisen auf Stillstand in der Gebäudemodernisierung und steigende Kriminalität. Die preiswerten Wohnungspreise zogen inzwischen ein anderes Klientel als noch 1966 an, durch eine völlig verfehlte Belegungspolitik der Sozialwohnungen wurde weitere Ungleichheit geschaffen, und nicht zuletzt lebten dort nach wie vor rund 5000 Menschen auf diesem kleinen Gebiet. Der Begriff “Bergmannsfeld” wurde zum Begriff einer schlechten Wohngegend und ein Stigma für alle Bewohner.
Das Bergmannsfeld versucht sein Image aufzupolieren
Der Imageverlust brachte die LEG im Jahr 2005 zum Entschluß Geld für ein großes Investitionspaket zur Verfügung zu stellen. Erstmals wurde nun auch neben der besseren Dämmung der Häuser und Veränderungen um effizienter zu heizen, Geld für ein ordentlicheres und ansprechendes Erscheinungsbild in die Hand genommen.
Unterschiedliche Farben und Materialien sollten dem Bergmannsfeld ein zeitgemäßeres Äußeres bescheren. Es wurden verschiedene “Quartiere” geschaffen, in denen die verschiedenen Regionen in Europa optisch repräsentiert werden sollten (z.B. Frankreich). Ein symbolischer Höhepunkt der Veränderung wurde durch eine Entscheidung der LEG-Mieter im Jahr 2009 vereinbart: Das Bergmannsfeld sollte fortan in “Europaviertel” umbenannt werden.
Imagefilm Europaviertel (Quelle: LEG)
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Dabei liegt es wahrscheinlich nicht an der Namensänderung, dass sich der Ruf des Bergmannsfeld in den letzten Jahren wieder verbessert hat. Der Stadtteil ist in der Tat hübscher geworden – das merken auch viele, die nach vielen Jahren mal wieder dort zu Besuch sind. Und die Modernisierung ist nur ein wichtiger Schritt um sich von seinem alten Image, welches am Bergmannsfeld kleben zu scheint, zu lösen.
Eine lebendige Nachbarschaft
Nach wie vor ist die Einwohnerstruktur dort bunt gemischt. Es gibt junge Familien und Senioren die ihr halbes Leben dort schon wohnen. Vieles wäre ohne die Hilfe von Ehrenamtlichen, Lehrern und Anwohnern gar nicht erst möglich. Es gibt Angebote und Treffs sowohl für Jugendliche als auch Senioren. Außerdem bietet das Bürgerhaus Oststadt und das Schwimmzentrum eine weitere attraktive Freizeitbeschäftigung und die Möglichkeit zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
Schon einige Monate gibt es, betrieben von einer gebürtigen Bergmannsfelderin, eine Facebook-Seite, die den ehrgeizigen Plan hat, eine Dokumentation über das Bergmannsfeld zu drehen. Da bleibt doch nur zu hoffen, dass es klappt!
Doch neben den Anwohnern, sind auch die Wohnungsgesellschaften in der Pflicht, weiterhin Geld ins Bergmannsfeld zu investieren. Dies ist besonders wichtig, damit der Stadtteil nicht ins Negative kippt, fanden Experten erst unlängst heraus. Die Sanierung des Bergmannsfeld hat begonnen, muß aber unbedingt fortgesetzt werden, damit es nach gut 50 Jahren zur alter Form zurückfinden kann.
Für viele ist das Bergmannsfeld nach wie vor ihre Heimat und auch Zugezogenen gefällt es hier. Und ein bißchen Lokalpatriotismus darf dann doch schon sein: Wohl nur die wenigsten Bewohner werden fortan behaupten aus dem Europaviertel zu kommen. Eher: “Ich wohne im Bergmannsfeld!”
(Für diesen Artikel wurde als Quelle C. Wilmer (Forum Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur) und diverse Berichterstattungen der WAZ genutzt. Danke!)